EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON \"Augengesundheit\" am 06.10.2011
Wie oft sollte man zur Vorsorgeuntersuchung gehen, um Augenkrankheiten zu verhindern?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Grundsätzlich gilt: Je früher Augenkrankheiten entdeckt werden, desto einfacher und erfolgreicher ist die Behandlung. Viele Augenleiden treten schleichend auf und werden von den Patienten daher erst sehr spät bemerkt. Kinder ohne Auffälligkeiten und ohne Augenkrankheiten in der Familie sollten zum ersten Mal zwischen dem 31. und 42. Monat zur Früherkennung gebracht werden. Erwachsene sollten sich ab dem 40. Lebensjahr regelmäßig alle zwei Jahre einer augenärztlichen Kontrolle unterziehen.“.
Müssen ältere Menschen häufiger zum Augenarzt gehen als die Jüngeren?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Augenärztliche Vorsorge ist wichtig – ein Leben lang. Selbst Säuglinge können von Geburt an unter einer Augenerkrankung leiden. Daher ist eine frühzeitige Untersuchung durch den Augenarzt bereits im Baby- oder Kleinkindalter so wichtig. Das Risiko für die Krankheiten, die häufig zum schlechten Sehen führen, wie beispielsweise Grüner oder Grauer Star, steigt erheblich mit höherem Lebensalter an. Wir empfehlen deshalb ab dem 40. Lebensjahr augenärztliche Vorsorgeuntersuchungen etwa alle zwei Jahre.“
Bei welchen Symptomen, die die Augen betreffen, sollte man aufmerksam werden?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Bei einer plötzlichen Sehverschlechterung, die nicht innerhalb von einer Stunde zurückgeht, sollte man unbedingt den Augenarzt aufsuchen. Wichtige Warnsignale für eine Augenerkrankung sind zudem helle Blitze im Gesichtsfeld, Trübungen, ein eingeschränktes Gesichtsfeld, plötzliches Doppeltsehen. Aufmerksam sollte man auch bei verzerrtem Sehen werden, wenn etwa die Fugen eines Fliesenbodens nicht mehr gerade verlaufend erscheinen. Aber Vorsicht: Der Grüne Star (Glaukom) oder eine beginnende Makuladegeneration verursachen lange Zeit keine Symptome und werden häufig erst bemerkt, wenn es für eine optimale Therapie schon zu spät ist.“
Worauf sollten Eltern achten, damit sich die Sehschärfe ihrer Kinder normal entwickelt?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Das Auge ist kein Sinnesorgan, das von Geburt an in seiner Funktion vollständig ausgereift ist. Gewisse Fähigkeiten wie zum Beispiel das dreidimensionale Sehen werden in den ersten Lebensjahren entwickelt. Angeborene Fehlsichtigkeiten und das Schielen können, wenn sie nicht erkannt werden, die "Ausreifung" der vollen Funktionalität des Sehens beeinträchtigen.
Sichtbare Auffälligkeiten, auf die Eltern achten sollten, sind zum Beispiel Augenzittern, grau-weißliche Pupillen, Lidveränderungen oder eine Hornhauttrübung. Bei erhöhtem erblichen Risiko sollten Kinder bereits im Alter zwischen sechs und zwölf Monaten einen Augenarzt aufsuchen. Auch bei Kleinkindern, bei denen keine mögliche genetische Veranlagung besteht, ist der Augenarztbesuch zwischen dem 30. und dem 42. Lebensmonat notwendig.“
Warum ist es so wichtig, dass Augenkrankheiten früh behandelt werden?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Viele Augenerkrankungen verlaufen schleichend, die Betroffen bemerken Veränderungen erst, wenn bereits irreparable Schäden am Auge aufgetreten sind. Unbehandelt kann beispielsweise der Grüne Star zur Erblindung führen.
Auch die Makuladegeneration ist nicht mit Schmerzen verbunden und wird daher häufig erst bemerkt, wenn sie bereits ein fortgeschrittenes Studium erreicht hat. Nur wenn die Krankheit frühzeitig erkannt wird, kann man den Verlauf behandeln und durch eine Behandlung stoppen oder zumindest verlangsamen.“
Gilt das für alle Erkrankungen? Oder können manche Probleme auch später noch beseitigt werden?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Dank der enormen Fortschritte im Bereich der Augenheilkunde kann man bei einigen Krankheiten auch noch zu einem späten Zeitpunkt erfolgreich eingreifen. Ich denke hier beispielsweise an den Grauen Star (Katarakt). Hier kann man heute mit einer in der Regel komplikationslosen Operation eine erhebliche Verbesserung des Sehvermögens erreichen. Bei der Star-Operation wird nach Entfernen der eigenen getrübten Linse eine künstliche Linse (Intraokularlinse) eingesetzt und dann kann der Patient wieder normal sehen, wenn das restliche Auge gut funktioniert.“
Gibt es bei jeder Augenkrankheit eine wirksame Therapie?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Mittlerweile lassen sich die meisten Augenerkrankungen gut behandeln. Voraussetzung ist, dass sie rechtzeitig entdeckt werden. Deswegen ist die Vorsorge beim Augenarzt so wichtig. Er gibt auch ein individuelles Urteil dazu ab, ob eine Augenkrankheit behandelt werden kann.“
Müssen heute noch Menschen erblinden?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Die moderne Augenheilkunde erkennt Erkrankungen nicht nur frühzeitig und effektiv. Sie bietet außerdem eine Fülle von neuen Behandlungsmethoden, die Blindheit und Sehbehinderung immer wirkungsvoller verhindern können. Eine regelmäßige Vorsorge beim Augenarzt ist daher das A und O für gesunde Augen. Denn nur wenn eine Erkrankung im frühen Stadium erkannt wird, kann sie noch erfolgreich behandelt oder zumindest verlangsamt werden. Erfolgt eine Behandlung aber zu spät, beispielsweise beim Glaukom, können Schädigungen auftreten, die nicht mehr gebessert werden können.“
Welche anderen Krankheiten (wie zum Beispiel Diabetes mellitus) können Sehschwächen oder Augenerkrankungen mit sich bringen?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Zahlreiche Allgemeinerkrankungen, aber auch verschiedene Medikamente, können Auswirkungen auf das Auge haben. Schilddrüsenerkrankungen können erhebliche Veränderungen in der Augenhöhle, an den Augenmuskeln und Lidern hervorrufen und zu Doppelsehen oder Grünem Star führen. Chronischer Bluthochdruck führt zu Blutgefäßschäden, die man am Auge sehr gut erkennen kann. In der Folge können sich Schäden an Organen im ganzen Körper entwickeln. Cortison kann Grauen Star beschleunigen und Grünen Star hervorrufen. Patienten sollten daher frühzeitig mit ihrem Augenarzt über bestehende Allgemeinerkrankungen sprechen.“
Welche bahnbrechenden Entwicklungen hat es in der Augenheilkunde in jüngster Zeit gegeben?
- Prof. Dr. med. Bernd Bertram: „Die Behandlung des Grauen Star mithilfe einer Operation ist eines der spannendsten Beispiele der innovativen Möglichkeiten in der Augenheilkunde. In Deutschland werden Jahr für Jahr rund 700.000 Operationen des Grauen Stars durchgeführt – und ermöglichen den Betroffenen wieder eine normale, ungetrübte Sicht.
Effektive neue Behandlungsmöglichkeiten gibt es auch bei der häufigen Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD): Medikamente, die direkt ins Augeninnere gegeben werden, haben in den vergangenen Jahren die Therapie der feuchten AMD – eine bislang schwer behandelbare Variante der Erkrankung, die besonders schnell zum Sehverlust führt – revolutioniert. Auch die Netzhautveränderungen von Diabetikern, die unter einem diabetischen Makulaödem leiden, können heute vom Augenarzt durch diese Medikamente und durch eine Lasertherapie gut behandelt werden.“
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